Es sollte eine ganz normale Bootsfahrt sein.
Die Jünger waren geübte Fischersleute am See Genezareth. »Lasst uns hinüberfahren«, hatte Jesus ihnen gesagt. Dann machten sie das Boot fertig und setzen mit geübten Händen das Segel. Da war nichts Aufregendes. Aber es muss ein schönes Erlebnis gewesen sein in der Abenddämmerung auf dem See, so kurz vor der hereinbrechenden Nacht.
Jetzt ist es Abend geworden und Jesus befiehlt seinen Jüngern ans andere Ufer zu fahren. — Doch schon kurz nach dem sie losgefahren sind, ist Jesus bereits eingeschlafen. Das ist in Ordnung, ihren erfahrenen Händen kann er sich ruhig anvertrauen. Er weiß, sie werden ihn schon sicher ans andere Ufer bringen. Während Jesus im Boot schläft, halten seine Jünger Wache und steuern das Boot. Es plätschert so dahin.
Es plätschert so dahin, unser Leben. Manche kennen das wahrscheinlich auch. — Die Tage füllen sich mit den immer gleichen Gewohnheiten. Das fängt schon am Morgen mit dem Frühstück an. Dann folgen die sich ständig wiederholenden Tätigkeiten die sich über den Tag verteilen. Auch der Urlaub wird zur Routine. Und jedes Jahr regt man sich wieder neu auf über die vielen Staus und die Baustellen auf der Autobahn. So plätschert das Leben dahin wenn es sich mal eingespielt hat. Sogar die Höhepunkte des Jahres – Geburtstage, Weihnachten usw. – werden routiniert gemeistert. Bis plötzlich, wie aus heiterem Himmel ein Unwetter aufzieht, das so manches Leben innerhalb weniger Sekunden total verändert. Auf einmal hat man riesige Hürden vor sich und Sorgen wie es nun wohl weiter gehen wird.
Alles war gut, bis zu jenem Tag, als er mit dem Motorrad unterwegs war. — Eine kleine Ölspur in der Kurve. — Querschnittsgelähmt nach einem Sturz. Dabei ging bisher doch immer alles gut. Aber auf einmal wird alles durcheinandergewirbelt. — Nichts ist mehr normal. Welch ein Schrecken. — Es hat doch bisher immer so viel Freude gamacht, es war doch immer so schön. — Warum musste das passieren?
Viele von uns haben so etwas schon am eigenen Leib erfahren. — Und wir wissen von Menschen, denen Schreckliches passiert ist. Wir wissen wie sich das anfühlt und wir kennen auch die Angst, die damit einhergeht. — Oft ist es sogar mehr als Angst. Panische Angst. Die Jünger haben schon so Vieles erlebt und überstanden auf diesem See. Aber so etwas noch nicht. An solch eine Naturgewalt kann sich keiner der erfahrenen Fischer erinnern. Erst versuchen sie es mit ihrer ganzen Routine. Sie sind doch eine erfahrene Mannschaft. Aber nun geraten sie in Panik aber sie haben die Kraft und das Können und so stemmen sie sich mit aller Energie gegen den Sturm. Doch mit jeder Welle, die über das Boot hereinbricht, schwindet die Hoffnung und es wächst die Angst.
Jesus schläft tief und fest! Ganz ruhig und gelassen liegt er da. Das konnten die Jünger kaum aushalten. Wegen ihm sind wir doch hier. Seinem Ruf sind wir doch gefolgt. Er hat doch gesagt, dass wir ans andere Ufer fahren sollen. Auf seinen Befehl hin sind wir in See gestochen. Dabei weiß doch jeder wie gefährlich eine Fahrt auf dem See zur Abendzeit sein kann, wenn die Fallwinde von den Golanhöhen das Wasser aufpeitschen!
Die Jünger reißen Jesus aus dem Schlaf und halten ihm vor: — Sag mal, kümmert’s dich nicht, dass wir untergehen? Und ihre Gesichter, ihre Gebärden, ihr Tonfall, alles war voller Vorwurf. Da ist einfach nur noch Angst. Lebensangst, Todesangst, Verzweiflung. Sie können kaum ertragen, dass da einer ruhig bleibt.
Jesus bleibt ruhig in dieser Nacht auf dem stürmischen See. Er ist nicht ärgerlich, dass sie ihn aus dem Schlaf gerissen haben. Trotz Angst und Panik wagen die Jünger kaum zu atmen in dieser großen Stille. Sie sind sich noch nicht sicher: Sind wir noch einmal davongekommen? — Oder hat das Unglück wirklich zugeschlagen? — Oder kommt sogar noch mehr? Und Jesus fragt sie in die Stille hinein nach ihrem Glauben: Habt ihr keinen Glauben.
Wenn wir jetzt zusammentragen würden, wie oft ein Jedes von uns gerade noch einmal davongekommen ist, dann würde sicher einiges zusammen kommen: Einmal am Steuer kurz eingenickt und gerade noch rechtzeitig wieder aufgewacht. Einmal nach einer Operation tagelang dem Tode nahe und dann doch wieder Lebenskraft bekommen. Einmal alles verloren – Arbeit, Familie, Zuhause, Gesundheit und dann doch wieder dank unerwarteter Hilfe festen Tritt gefunden.
Für viele Menschen sind überstandene Schicksalsschläge Grund genug, im Glauben immer fester zu werden. Ihnen wird plötzlich bewusst, auch wenn ich denke ich sei ganz allein von allen verlassen und schutzlos dem Bösen ausgeliefert, ist da doch Einer der mich nicht allein lässt. Gott sei Dank!
Wenn mich die Stürme packen, wenn mich das Leben beutelt und ich keinen Boden mehr unter den Füßen spüre, dann vertraue ich, dass da Einer ist, der letztlich mein Leben in seiner Hand hält. Darauf macht Jesus seine Jünger und mit ihnen auch uns aufmerksam. Wenn wir ihn suchen, dann werden wir ihn dort finden, wo wir ihn am wenigsten vermuten. Amen
Was mir der Reiseführer erzählt!
Kommen Sie kurz mit mir, treten Sie ein, sagt der Reiseführer. Blicken Sie in die Höhe, an das Deckengemälde! Dort wölbt sich der Himmel. Umringt von bedrohlichen Wolken, ist die Mitte des Himmels geöffnet und gibt den Blick auf Gott und das himmlische Geschehen frei.
Ich gerate ins Schwärmen, mir ist es, als ob dieser im Himmel thronende Gott den ganzen Kirchenraum erfüllen würde. Überall ist er beinahe zu greifen. Manchmal taumle ich fast, so als würde ich hineingezogen in diesen Himmel. Ich stehe klein im Mittelgang und der Himmel wölbt sich hoch über mir. Gott ist mir beinahe zum Greifen nah und es scheint fast so, als bräuchte ich nur sehnsüchtig meine Hände auszustrecken, um diese machtvolle Gegenwart des Gottes zu spüren.
Doch wo ist dieser Gott, wenn ich zum Beispiel am Bett eines schwer erkrankten geliebten Menschen stehe? Kein Himmelsgemälde wölbt sich da über einem weiten Raum, sondern die fahlen Wände machen das Zimmer bedrängend eng. Die Luft ist erfüllt von dem unangenehmen Geruch nach Krankheit und ich spüre nichts von Gottes Gegenwart. Da ist ein Mensch seiner Krankheit ausgeliefert und die Angst, dass diese Krankheit siegt und ihn ums Leben bringt, ist mit Händen zu greifen. So stehe ich mit hilflosen ausgestreckten Händen die nichts tun können da und habe Sehnsucht nach Gottes Gegenwart. Ich bitte um seine Hilfe, weil ich mich so schwach fühle. Aber der Himmel scheint fern und verschlossen.
Doch gerade wenn ich mich schwach fühle, mir so gar nichts gelingt und ich an mir selbst zweifle darf ich auf Jesus vertrauen, denn in ihm zeigt sich Gott als der, der unsere Schwachheit erlebt, ja durchlitten hat. Er hat das gleiche erlebt wie du und ich, er kann mitfühlen mit uns. Und plötzlich ist der Himmel nicht mehr fern und verschlossen, denn Gott ist in Jesus Christus fassbar geworden.
Es ist oft nur ein Ausstrecken der Hände nach Gott wenn ein Schwerkranker, dem oft die Kräfte schwinden, dennoch die Kraft aufbringt und in seinem Leid sagen kann: Ich bleibe stets an dir; denn du hältst mich an meiner rechten Hand. Ja, Ihr Lieben, wir können tatsächlich in jedem Augenblick unseres Alltags unsere Sorgen vor Gott ausbreiten und zuversichtlich sein, dass er unsere Hände mit seiner Barmherzigkeit ergreift.
Die machtvolle Gegenwart Gottes in der Barockkirche, die im Alltag fern und unfassbar werden kann, wird in diesem Augenblick für mich begreifbar und ich spüre, Gott thront nicht nur dort oben über den Wolken und nichts Menschliches ist ihm fern. — Ich bin ihm nicht fern.
Und auch Du bist ihm nicht fern, bleib behütet.